Anwalt Juan José Quispe mit einigen der Klägerinnen

Historisches Urteil gegen ehemalige Soldaten

Im Juni 2024 hat ein Gericht in Lima ehemalige Soldaten wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Sie hatten sich während des bewaffneten Konflikts der Vergewaltigung von Frauen schuldig gemacht. Ihr Anwalt Juan José Quispe spricht im Interview mit der Infostelle Peru über dieses historische Urteil und über das langwierige Verfahren.

Warum ist dieses Urteil so bedeutsam?

Zunächst einmal, weil es sich um schwere Menschenrechtsverletzungen an Zivilistinnen handelt, die zwischen 1984 und 1995 sexuell missbraucht wurden. Dabei wurde systematisch vorgegangen: Es geht nicht um die Ereignisse eines einzigen Tages, sondern um Jahre, in denen von den Militärbasen von Manta und Vilca aus Frauen misshandelt wurden, mehrheitlich minderjährige. Es handelt sich um Fälle von schweren Menschenrechtsverletzungen. Fälle, die normalerweise längst verjährt wären, denn in Peru gilt eine Verjährungsfrist von 20 Jahren.

Was war das Besondere an diesem Prozess?

Vergewaltigungsfälle werden immer zurückhaltend behandelt. Unsere Klientinnen haben aber darum gebeten, dass die Verhandlungen öffentlich abgehalten werden. Sie verzichteten auf ihr Recht auf Privatsphäre. Das kommt in Peru selten vor, ich glaube sogar, es ist das erste Mal in einem vergleichbaren Fall.

Was waren die größten Hindernisse während des Prozesses?

Bis zum Abschlussbericht der Wahrheitskommission, der im August 2003 vorgelegt wurde, war auf einer Polizeiwache nur eine einzige Anzeige erstattet worden, aber nicht einmal von den Opfern selbst, sondern von einem ihrer Verwandten. Diese Vergewaltigungsfälle gerieten also in Vergessenheit, und zwar in völliger Straffreiheit, bis 2002 die Wahrheitskommission gegründet wurde. Damals trat eine Gruppe tapferer „Mamitas“ an die Öffentlichkeit und begann, während den Anhörungen der Wahrheitskommission von diesem Drama zu erzählen. Dabei gerieten sie teilweise in Konflikt mit ihren Familien, weil diese Vergewaltigungsfälle sogar innerhalb der Gemeinschaft als etwas betrachtet werden, über das man nicht sprechen sollte. Denn nach der Schließung der Stützpunkte in Manta und in Vilca blieben viele der Soldaten vor Ort und gingen eine Lebensgemeinschaft mit den Einheimischen ein.

Es handelt sich also um eine recht komplexe Situation, ganz abgesehen vom problematischen Justizsystem. Zuerst wurden die Ermittlungen an dem Ort durchgeführt, an dem die Verbrechen begangen worden waren. Dann wurde jedoch eine Strafrechtskammer für Menschenrechtsfälle eingerichtet, und die Fälle kamen nach Lima. Das hat die Prozesse sehr verzögert, auch weil die Zeugen aus verschiedenen Landesteilen hierherkommen mussten, um auszusagen. All das hat den Prozess langwierig gemacht, und die erste mündliche Verhandlung fand erst 2017 statt. Danach entschied das Gericht, eine mündliche Verhandlung in Huancayo durchzuführen, um Zeugen schneller vor Ort anhören zu können. Das war lobenswert. Doch die Justiz traf keine Vorsichtsmaßnahmen, damit Täter und Opfer nicht wieder zusammentreffen.

Die Opfer und die Angeklagten standen sich also gegenüber, und logischerweise kam es zu Zwischenfällen, die Frauen wurden bedroht und die Soldaten beleidigt, und das Justizpersonal sagte nichts.

Und schließlich, als eine der Frauen aussagte, dass zwei Soldaten zu ihr nach Hause gekommen waren und einer sie vergewaltigte, während der andere draußen blieb, sagte die vorsitzende Richterin: „Señora, warum haben Sie nicht geschrien? Warum haben Sie nicht um Hilfe gerufen? Und warum haben Sie zugelassen, dass der Mann bis zum Morgengrauen bei Ihnen blieb?“ Ich stand auf, sagte, dass mir diese Frage unangebracht erschien und erhob Einspruch. Schließlich hatte die Frau erklärt, dass die Täter vermummt und bewaffnet waren, dass einer draußen Wache hielt und dass es dort keine angrenzenden Häuser gibt – wie hätte sie also um Hilfe rufen können? Dies war einer der Gründe für den Befangenheitsantrag gegen die Richterin. Zudem erlaubte sie uns nicht, einige Beweise einbringen zu dürfen, und behandelte einige der Frauen wie Angeklagte. Der oberste Gerichtshof entschied jedoch für die Klägerinnen und stimmte mit uns überein, dass die Rechte der Opfer verletzt worden waren.

Bedeutete dies, dass die Frauen erneut aussagen mussten?

Wenn eine mündliche Verhandlung unterbrochen wird und eine neue abgehalten werden muss, ist leider alles, was in der ersten geschehen ist, null und nichtig. Dies haben wir den Frauen erklärt, als wir gegen die Richterin den Antrag gestellt haben, sie stimmten dem zu und mussten noch einmal aussagen.

Gab es eine Übersetzung ins Quechua?

In der ersten mündlichen Anhörung gab es keinen Übersetzer, der Huancavelica-Quechua sprach. Dieses unterscheidet sich vom Quechua von Huancayo, Cusco oder Puno. Tatsächlich sagten die Frauen, dass der Dolmetscher nicht das übersetzte, was sie gesagt hatten. So wurde in der zweiten Anhörung gefordert, dass ein Dolmetscher da ist, der auf Huancavelica-Quechua spezialisiert ist.

Warum befinden sich die Verurteilten mehrheitlich nicht in Haft?

Bisher konnte nur eine Person verhaftet werden. Das Urteil wurde virtuell verkündet, die Angeklagten waren nicht physisch anwesend und sind seitdem flüchtig. Trotz unserer Anfrage an das Gericht, mit der Polizei zusammenzuarbeiten, um die Täter an ihrem Aufenthaltsort festzunehmen, wurde dies nicht umgesetzt.

Wie kommt es, dass es bisher nur in den Fällen MMMB und Manta y Vilca zu Verurteilungen für Vergewaltigungen kam?

Wenn man sich den Bericht der Wahrheitskommission anschaut, stellt man fest, dass es allein während des internen bewaffneten Konflikts in Huancavelica über 4000 Fälle von Vergewaltigungen gab. Die überwiegende Mehrheit davon wurde zu den Akten gelegt, weil die Armee nie die Liste der Personen freigegeben hat, die in den Stützpunkten Manta und Vilca gedient haben – auch nicht ihre Spitznamen. Doch wenn die Personen, die der Wahrheitskommission diese Taten meldeten, gefragt wurden, wer die Täter waren, sagten sie nur die Spitznamen wie Chapa, Lamole oder Piraña, so dass es unmöglich war, sie zu identifizieren. Wegen des Mangels an Informationen seitens der Armee und des Verteidigungsministeriums haben die Staatsanwälte die meisten Fälle vorläufig zu den Akten gelegt. Es ist eine systematische Praxis des Verteidigungsministeriums, Informationen zu verbergen. Die Dokumente, die sie erstellt haben, geben absolut nichts her.

Wenn wir den aktuellen Kontext anschauen und das neue Gesetz bezüglich der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, denken Sie, es wird zu weiteren Urteilen kommen?

Ich werde Ihnen zwei Dinge sagen, die für die Familien traurig sind. Erstens: Wenn das neue Gesetz erlassen und angewandt wird, wird es sich negativ auf die Fälle des internen bewaffneten Konflikts auswirken, weil diejenigen, gegen die ermittelt wurde – einschließlich derjenigen, die verurteilt wurden – beantragen werden, dass der Fall zu den Akten gelegt wird, weil die Verjährungsfrist abgelaufen ist. Denn nach diesem neuen Gesetz gelten alle Verbrechen, die vor Juli 2002 begangen wurden, nicht mehr als Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sondern als einfache Verbrechen. Damit verjähren sie nach 20 bis 25 Jahren.

Die andere Sache ist, dass die Menschenrechtskammer des Strafgerichtshofs aufgelöst wurde. Einer der Gründe dafür ist meiner Meinung nach, dass diese Kammer seit mehr als 15 Jahren Menschenrechtsfälle verhandelt und eine sehr starke Position in Bezug auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hat, genauso wie bezüglich der Anwendung internationaler Verträge und der Umsetzung der Urteile des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Spätestens ab November werden die Richter der ehemaligen Menschenrechtskammer wieder an ihren ursprünglichen Gerichten arbeiten und dort auch die neue Strafprozessordnung anwenden müssen, welche die Position der Angeklagten gegenüber den Opfern wesentlich stärkt. Ich glaube, dass dies die Prozesse komplizierter machen wird.

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