Protest gegen das neue Forstgesetz © Arlen Ribeira

Neues Waldgesetz: wer profitiert – wer verliert

Am 14. Dezember 2023 verabschiedete der peruanische Kongress umstrittene Änderungen im aktuellen Waldgesetz. Wir fragen, wem dies nützt und wem dies schadet.

Gegen einige große Unternehmen und religiöse Gruppen laufen derzeit Verfahren wegen massiver illegaler Abholzungen im Amazonasgebiet. Diese könnten jetzt aufgrund der Änderung des Forstgesetzes (siehe Artikel im letzten InfoPeru) eingestellt werden. Neben den bekannten Unternehmen Ocho Sur und Tamshi, die als Teil der Melka-Gruppe gegründet wurden, geht es auch um Palmas de Shanusi, ein Unternehmen der mächtigen Grupo Romero, um die Firma Reforestadora Inca des Geschäftsmannes Samuel Dyer sowie um die Mennoniten und die „Israeliten des Neuen Universellen Paktes“.

Laut der Nachrichtenplattform Convoca.pe, die sieben Fälle näher untersucht hat, haben die genannten Gruppen mehr als 53.000 Hektar Regenwald in Plantagen für Ölpalmen, Kakao, Mais u.a. umgewandelt, hauptsächlich in den Amazonasregionen Loreto, Ucayali und Madre de Dios.

Zu den wichtigsten Fällen gehören die Anklagen gegen Ocho Sur (früher Plantaciones Ucayali) mit 12.000 Hektar abgeholzter Fläche, die israelitischen Siedlungen von Arca Pacahuara in Madre de Dios, Bajo Amazonas in Loreto und El Sira in Ucayali mit jeweils durchschnittlich 10.000 Hektar, insgesamt also mehr als 30.000 Hektar. Mennonitische Siedlungen sind für mehr als 7.000 Hektar Abholzung verantwortlich.

Mit dem neuen Forstgesetz, nach dem die Abholzungen nicht mehr strafbar sind, werden nun die angeklagten Unternehmen und Gruppen begünstigt.  “Damit sind sie von allen Anklagen befreit“, sagt Julio Guzmán, Staatsanwalt im Umweltministerium.

In allen untersuchten Fällen der genannten Unternehmen und Gruppen waren die Flächen, auf denen diese heute Landwirtschaft betreiben, früher bewaldet. Das belegen historische Satellitenkarten und Dokumente in den Akten. Beispiel Ocho Sur: Das Unternehmen hatte keine Umweltzertifizierung für die landwirtschaftliche Nutzung bewaldeter Flächen erhalten. Das Landwirtschaftsministerium erlaubte ihm dennoch, einen neuen Antrag auf einen Umweltanpassungs- und Bewirtschaftungsplan zu stellen. So konnte Ocho Sur seine landwirtschaftlichen Aktivitäten ohne Umweltzertifizierung fortsetzen, was einen Verstoß gegen die geltenden Umweltbestimmungen  darstellte. Das Unternehmen arbeitete also illegal. Das neue Forstgesetz ermöglicht es jetzt, dieses Vorgehen im Nachhinein zu legalisieren.

Im Parlament gibt es unterdessen weitere Initiativen, Sanktionen gegen Abholzung für landwirtschaftliche Nutzung abzuschaffen. So hat Arturo Alegría, Abgeordneter der Fujimori-Partei Fuerza Popular, einen Gesetzesentwurf eingebracht, der eine Generalamnestie für alle Fälle von Abholzung vorsieht, in denen die erforderlichen Genehmigungen nicht eingeholt wurden.

Anhaltende Kritik

Umwelt- und indigene Organisationen kritisieren, dass nun das Landwirtschaftsministerium und nicht mehr das Umweltministerium darüber entscheiden, welche Wälder dauerhaft vor Abholzung geschützt werden sollen. Das Landwirtschaftsministerium sei bekannt dafür, die wirtschaftlichen Aktivitäten der Unternehmen im Amazonasgebiet zu fördern, wie im Fall von Ocho Sur.

Diesen Wechsel der Zuständigkeit hält der Jurist Juan Carlos Ruiz Molleda von der Menschenrechtsorganisation IDL (Instituto de Defensa Legal) für verfassungswidrig. In einem ausführlichen Artikel erläutert er nicht nur, warum das neue Forstgesetz schlecht und schädlich ist, die Entwaldung vorantreibt und Straffreiheit fördert, sondern auch, dass es verfassungswidrig ist: Das Gesetz ignoriere die Tatsache, dass der Wald in die Zuständigkeit des Naturschutzes falle und nicht in die des Agrarsystems. Und es berücksichtigt nicht, dass das Naturerbe unter das Enteignungsrecht fällt, das in der Verfassung verankert ist und nicht durch ein Gesetz geändert werden kann.

Auch innerhalb der staatlichen Institutionen gibt es Fachleute, die die Gesetzesänderung kritisieren. Und selbst Vertreter*innen der Regionalregierungen von Amazonas und Huánuco bemängeln, dass das neue Gesetz die Abholzung begünstige, die Rechte der indigenen Völker und der Kleinbauern verletze und mit unbegründeter Eile ohne Rücksprache mit den Regionalregierungen Amazoniens verabschiedet wurde. Die Gesetzesänderung könne außerdem den Kaffee- und Kakao-Produzent*innen schaden, die hauptsächlich nach Europa liefern, wo seit kurzem die Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten gelte.

Yvette Peña, Vorstandsmitglied der indigenen Organisation ORAU in Ucayali kritisierte die Abgeordneten mit deutlichen Worten: „Unsere größte Sorge ist, dass ihr Kongressabgeordneten von Lima aus Gesetze verabschiedet, ohne die Realität zu kennen, ohne die wirklichen Konsequenzen dessen zu kennen, was ihr genehmigt.“ „Und unsere Verteidiger, unsere 30 Ermordeten, die ihr Leben für die Verteidigung der Territorien und der Wälder gegeben haben, wo bleiben sie? Ihr müsst an die Menschen denken, nicht nur an die Unternehmen und die Bequemlichkeit derer, die unser Amazonasgebiet zerstören”, forderte Peña bei einem Treffen des Regionalen Runden Tisches der Umweltschützer in Pucallpa.

Reparationszahlungen in Frage gestellt

Die Änderung des Forstgesetzes stellt auch die Reparationszahlungen infrage, zu denen die angeklagten Unternehmen und religiösen Gruppen verpflichtet sind. Im Fall von Plantaciones Ucayali (jetzt Ocho Sur) beliefen sich die Schäden durch die Abholzung auf mehr als 220 Mio. Soles (etwa 66,8 Mio. Dollar zum Wechselkurs von 2015) und im Fall von Tamshi SAC auf mehr als 156 Mio. Soles (etwa 55,9 Millionen Dollar im Jahr 2014). Die mennonitischen Gruppen wurden zu einer Geldstrafe von 11 Millionen Soles (etwa 2,9 Millionen Dollar) verurteilt.

Die durch landwirtschaftliche Aktivitäten verursachte Entwaldung im Amazonasgebiet zwischen 2001 und 2021 betrug laut Geobosques 2.774.562 Hektar.

Druck vom Unternehmerverband, Unterstützung von den Bauernverbänden

Sowohl der mächtige Unternehmerverband CONFIEP als auch Vertreter der mennonitischen Gemeinde hatten im Vorfeld der Verabschiedung des Gesetzes massiv bei Kongressabgeordneten interveniert und für die Gesetzesänderung geworben.

Bei einer Informationsveranstaltung im März in Mazamari (Junín) gab es Unterstützung von Bauernverbänden aus verschiedenen Provinzen für das neue Gesetz.  An der Veranstaltung nahm auch die Autorin des neuen Gesetzes, die Kongressabgeordnete von Perú Libre, Elizabeth Medina Hermosilla, teil. „Unsere Landwirte haben seit mehr als 20 Jahren Probleme mit der Titulierung ihres Eigentums (…) Wo steht, dass das Gesetz für die Abholzung ist, das ist eine Fehlinformation in der Presse”, sagte sie. Vertreter der Landwirte äußerten die Hoffnung, dass die Änderung des Gesetzes ihnen helfen würde, Landtitel zu bekommen. Und der Bürgermeister von Mazamari würdigte die Kongressabgeordnete für ihr „Engagement und ihren Einsatz zugunsten der Bauern des zentralen Regenwalds”. Die Titulierung der Flächen gebe den Familien endlich Rechtssicherheit. Indigene Gemeinden und Organisationen waren bei der Veranstaltung nicht vertreten, eben so wenig die Nationale Forstbehörde SERFOR, aus der es auch Kritik an dem Gesetz gegeben hatte.

Ciro Salazar von der Stiftung für Naturschutz und nachhaltige Entwicklung sieht die Lage der kleinen Landwirte im Amazonasgebiet weiter kritisch. Die Regierung müsse den Kleinproduzent*innen, die sich zertifizieren lassen wollen, klar machen, dass es nicht um die Einhaltung der europäischen Norm gehe, sondern um eine nachhaltige Entwicklung, die letztlich auch ihre Existenz sichere. Es gebe mehr als acht Millionen Hektar stark degradierter Ökosysteme, und die Kosten für die Wiederherstellung von nur vier Prozent davon beliefen sich bereits auf 200 Mio. Soles (48 Mio. Euro).

Die Entwaldung zu reduzieren, sei nicht nur aus Umweltgründen nötig, so Salazar. Und es gehe nicht nur um die Frage der Landtitulierung. Das Problem müsse zielgerichteter angegangen werden: Staatliche Investitionen in Infrastruktur und Technologie, eine stärkere Präsenz des Staates in den ländlichen Gebieten und Strategien, um für Kleinproduzent*innen Marktzugänge zu schaffen, seien nötig. Sonst würden immer mehr Arbeitskräfte in den illegalen Bergbau und in Cocaplantagen abwandern.

Annette Brox

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