Die Gedenkstätte “El Ojo que Llora” für die Opfer des Bürgerkriegs, in Lima Foto: Annette Brox

Kurz gemeldet – April 2024

Kurznachrichten aus Peru

Der Gedenkstätte „El Ojo que Llora“ droht der Abriss

Limas Bürgermeister Rafael López Aliaga hat beim Kulturministerium die Erlaubnis für den Abriss des Denkmals „El Ojo que Llora“ (das weinende Auge) auf dem Campo de Marte im Stadtteil Jesús María beantragt. Die Gedenkstätte erinnert an die während der Zeit der politischen Gewalt (1980-2000) ermordeten und verschwundenen Opfer. Der Ort wurde aufgrund seines künstlerischen, kulturellen und symbolischen Wertes im Jahr 2022 zum nationalen Kulturerbe erklärt. Der Interamerikanische Gerichtshof hat das Denkmal als eine Maßnahme der symbolischen Wiedergutmachung für die Familien der Opfer anerkannt.

Statt des Erinnerungsortes will die Stadtverwaltung von Lima jetzt “Sport- oder Erholungsgebiete” anlegen.

„Erinnerung steht für Aufbau, nicht für Abriss“ heißt es in einer Erklärung der Vereinigung Caminos de la Memoria (Wege der Erinnerung). Sie fordert vom Kulturministerium, das für den Schutz des kulturellen Erbes zuständig ist, und vom Justizministerium, zuständig für das Wiedergutmachungsprogramm, den Erhalt der Gedenkstätte zu garantieren.

Amnesty international hat einen Aufruf gestartet, um den Abriss der Gedenkstätte zu verhindern. Der Aufruf in spanischer Sprache kann hier unterzeichnet werden.

Kohle aus Peru

Wenn von den schlimmen Auswirkungen der Kohleproduktion in Lateinamerika die Rede ist, ist natürlich von Kolumbien die Rede, wo jährlich an die 59 Millionen Tonnen Kohle produziert und ausgeführt werden. Aber auch in Peru wird Steinkohle (Anthrazitkohle)  gefördert: in der nördlichen Region La Libertad in den Andenprovinzen Gran Chimú, Otuzco und Santiago de Chuco. Nicht überraschend, dass auch hier kriminelle Strukturen vorhanden sind, die schlimme Arbeitsbedingungen – auch ausbeuterische Kinderarbeit – beinhalten. Der Verladehafen ist Salaverry bei Trujillo. Pro Jahr werden ungefähr 1 Million Steinkohle produziert. Davon sind ca. 250.000 Tonnen illegaler Herkunft. Hauptsächlich exportiert wird nach Brasilien, Südkorea und China und da schwerpunktmäßig für die Stahl- und Stromerzeugung.

Bei der Produktion von Kohle wird Methangas erzeugt. Bei der Weltklimakonferenz 2017 hat sich auch Peru verpflichtet die Kohleproduktion bis 2040 auslaufen zu lassen. Aktuell nimmt allerdings die Produktion jedes Jahr zu.

Kakaopreis auf Rekordhöhe

Das peruanische Landwirtschaftsministerium (MINAGRI) informiert, dass  Kakaobohnen aktuell einen Höchstpreis erzielen. An der Kakaobörse in New York wird eine Tonne Kakaobohnen für 5.500 US-Dollar gehandelt. In Peru erhalten die Kleinproduzent*innen bis zu ca. 5 € pro Kilo, mehr als doppelt so viel wie 2022. Peru hat 2023 70.500 Tonnen Kakaobohnen exportiert, das sind ca. 38% mehr als 2022. Diese gingen in 48 Länder, hauptsächlich nach Malaysia, Niederlande, Indonesien, Mexiko und Italien. Die peruanischen Produzent*innen profitierten dabei von Dürren und Überschwemmungen in Ghana und der Elfenbeinküste.  Einen weiteren Grund für diese Steigerung sieht das Landwirtschaftsministerium darin, dass Peru weltweit führend im Angebot von Bio-und Fair-Trade gesiegelten Kakaobohnen ist.

In der Kakaoproduktion Perus sind ca. 90.000 Familien aktiv, in den Regionen San Martin, Junin, Ucayali, Huánuco und Cusco.

Ein Großteil der Exporte kommt aber immer noch von Plantagen, für die vorher Regenwald abgeholzt wurde.

Inzwischen gibt es hervorragende und immer wieder international ausgezeichnete Schokoladen aus peruanischer Produktion.  Diese sind kaum auf dem internationalen Markt zu finden, auch die Fair-Trade-Läden beschränken sich meist auf faire Schokolade aus Bolivien. Hier wäre eine gute Möglichkeit, nicht nur Exporteur von Kakaobohnen zu bleiben.

Entwaldung für Kakao und Palmöl

Ein neuer Bericht der Environmental Investigation Agency (EIA) zeigt, dass zwischen 2012 und 2021 rund 13.000 Hektar Amazonaswald in den peruanischen Regionen Loreto und Ucayali gerodet wurden, die von Palmöl- und Kakaounternehmen erworben worden waren. Die Untersuchung offenbart systemische Mängel in der peruanischen Regierungsführung, die es den Unternehmen ermöglichten, illegal Land zu erwerben und Umweltvorschriften zu ignorieren. Ein Teil des Palmöls dieser Unternehmen gelangt in die Lieferketten großer multinationaler Unternehmen wie Kellogg’s, Nestlé und Colgate.

Das neue peruanische Forstgesetz begnadigt alle illegalen Abholzungen in der Vergangenheit, wovor die EIA als Freifahrtschein für weitere Umweltschäden warnt.

Die Untersuchung deckt Verstöße gegen die Rechte indigener Völker auf und zeigt eine schwache Regierungsführung und Korruption als Hauptprobleme. Dringend empfohlen wird die Rechenschaftspflicht für illegale Aktivitäten, transparente Vergabe von Landtiteln und Förderung von Menschenrechten und für Waldschützer. Die EIA plant, den Bericht mit staatlichen Stellen, Unternehmen und internationalen Organen zu besprechen, um den Schutz der Wälder zu verbessern.

La Oroya: Interamerikanischer Gerichtshof verurteilt Peru

Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (CIDH) hat den peruanischen Staat verurteilt, weil er zugelassen hat, dass die Metallschmelze in La Oroya die Gesundheit und die Umwelt der Bevölkerung beeinträchtigt. Der Staat muss sich nun um die Opfer kümmern und sie entschädigen, so die Verfügung des Gerichts.

In La Oroya, ein Bezirk in den Zentralanden, werden seit 1922 Metalle geschmolzen und raffiniert. Dabei werden Luft, Wasser und Boden verseucht. 2006 wurde La Oroya als eine der zehn am stärksten verschmutzten Städte der Welt eingestuft. 80 Betroffene haben Klage eingereicht, um den Staat zur Verantwortung zu ziehen und Wiedergutmachungsmaßnahmen zu fordern.

In seinem Urteil stelle das Gericht jetzt die Verantwortung und die Versäumnisse des Staates fest. Gleichzeitig ordnete es Maßnahmen zur Wiedergutmachung an, u.a. die kostenlose medizinische Versorgung der Opfer, grundlegende Umweltanalysen und einen Plan zur Beseitigung der Umweltschäden und ein Überwachungssystem für Luft-, Boden- und Wasserqualität.

“Nach 20 Jahren Kampf wurde das Recht der Opfer auf Gerechtigkeit und Wiedergutmachung anerkannt”, erklärte die Menschenrechtsorganisation  APRODEH bei der Verkündung des Urteils, das sie als “historisch” bezeichnete.

Nur ein Drittel des Durchschnittslohns: Altersrente in Peru

Laut einem Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) machen die Renten in Peru gerade einmal 33 % des Durchschnittslohns aus und liegen damit deutlich unter dem Mindestsatz von 40 %, den das internationale Übereinkommen zur sozialen Sicherheit festgelegt hat. Die lateinamerikanischen Länder liegen bei etwa 50 %, die OECD-Mitgliedsländer bei durchschnittlich 62 %. Das staatliche Rentensystem hinkt seit Jahrzehnten mit der Anpassung der Mindestrente hinterher. Die Situation bei den privaten Rentenversicherungen ist kaum besser. Sie kommen auf ein Rentenniveau von 34,2 % des Durchschnittseinkommens. Eine Rentenreform ist nicht in Sicht.

Transformationsindex: Peru ist eine „stark defekte Demokratie“

Zum zehnten Mal hat die Bertelsmann-Stiftung den „Transformationsindex“ veröffentlicht, in dem sie unter anderem den Zustand der Demokratien in 137 sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern untersucht. Ergebnis: Autoritär geführte Länder nehmen zu. Das Ergebnis für Peru fällt ernüchternd aus: Das Land wird als „stark defekte Demokratie“ charakterisiert und nimmt Platz 53 ein. Damit ist es innerhalb von zwei Jahren um mehr als 20 Plätze nach hinten gerutscht, 2022 belegte es noch Rang 31. In Südamerika steht Peru vor Venezuela an vorletzter Stelle.

Gemessen wird der Stand politischer Transformation aus fünf Kriterien. Peru erreicht dabei in der Rechtsstaatlichkeit 5,8 von zehn Punkten, bei der Stabilität demokratischer Institutionen 5,0 und bei der politischen und gesellschaftlichen Integration lediglich 4,3 Punkte.

„In Peru sind sofortige und tiefgreifende Reformen notwendig, um autoritären Tendenzen entgegenzuwirken“, fasst die Studie die Lage in Peru zusammen.

Neben der politischen Transformation werden auch die wirtschaftliche Transformation und die Governance bewertet. Alle Informationen zum Transformationsindex finden sich hier.

Bedrohung des Amazonas Regenwaldes beängstigend

Eine aktuelle Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Nature, alarmiert über den kritischen Zustand des Amazonas-Regenwaldes. Bis zum Jahr 2050 könnte laut dieser Studie fast die Hälfte des Amazonas-Regenwaldes unwiederbringlich zerstört sein. Diese Prognose basiert auf einer Vielzahl von Faktoren, darunter nicht nur die fortschreitende Abholzung, sondern auch steigende Temperaturen, extreme Dürren und Brände, die den größten Regenwald der Welt in einem bisher unbekannten Ausmaß belasten.

Die Forscher*innen, angeführt von brasilianischen Wissenschaftler*innen, befürchten, dass zwischen 10 % und 47 % des Amazonas in den nächsten 25 Jahren so stark geschädigt werden könnten, dass der Wald den sogenannten “Point of no Return” erreicht, also den Zeitpunkt, an dem er seine Fähigkeit verliert, sich vollständig zu erholen.

Die Auswirkungen eines derartigen Verlustes wären verheerend, nicht nur für die Artenvielfalt des Regenwaldes, sondern auch für die Lebensgrundlage von rund 25 Millionen Menschen, darunter zahlreiche indigene Völker, die im Amazonasgebiet leben.

Besonders besorgniserregend ist auch die Verbindung zwischen der Gesundheit des Amazonas und dem Wasserkreislauf. Weniger Wald bedeutet weniger Regen, was zu mehr Dürren und einem erhöhten Stress für den verbleibenden Wald führt.

Die am stärksten gefährdeten Regionen wurden identifiziert, darunter das nördliche Mato Grosso, Rondônia und die zentrale Region des Bundesstaates Amazonas. Diese Gebiete könnten den Point of no Return besonders früh erreichen, da sie bereits durch jahrzehntelange Abholzung stark geschwächt sind. Die Studie warnt eindringlich vor den katastrophalen Konsequenzen, sollte dieser Trend anhalten und die Schutzbemühungen nicht verstärkt werden.

Exponentielles Wachstum des Dengue-Fiebers

Die Dengue-Fälle in Peru verzeichnen im Jahr 2024 einen dramatischen Anstieg um 97%. Dies wurde von OjoPúblico festgestellt, wobei mindestens 44 Bezirke, in denen es letztes Jahr nur wenige oder gar keine Fälle gab, jetzt zwischen 100 und 1.021 Fälle melden. Besonders betroffen sind Regionen wie La Libertad, Piura, Ica und Ancash, in denen der Gesundheitsnotstand erklärt wurden.

Das peruanische Gesundheitsministerium berichtet von 24.981 wahrscheinlichen und bestätigten Fällen bis Mitte Februar, was fast einer Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Dieser Anstieg wird auf veränderte Umweltbedingungen, insbesondere höhere Temperaturen, zurückgeführt, die die Ausbreitung der das Fieber übertragenden Mücke begünstigen.

Expert*innen warnen vor dem exponentiellen Wachstum des Denguefiebers in Gebieten, die zuvor wenig betroffen waren, und betonen die Notwendigkeit einer verstärkten Vektorkontrolle und Frühdiagnose. Trotz dieser alarmierenden Zahlen hat Peru bisher keinen Zugang zu einem wirksamen Dengue-Impfstoff. Die Situation wird als regionales Problem eingestuft, da auch andere lateinamerikanische Länder mit ähnlichen Ausbrüchen zu kämpfen haben.

Die Gesundheitsbehörden in Peru sind bemüht, die Situation zu bewältigen, indem sie Fieberstationen einrichten und die Bevölkerung über Präventionsmaßnahmen informieren. Finanzierung und Ausstattung für die Bekämpfung von Dengue müssen jedoch massiv verbessert werden, um den Auswirkungen dieser Epidemie effektiv zu begegnen.

zusammengestellt von Heinz Schulze, Svenja Pesch und Annette Brox

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